Samstag, 9. Mai 2015

Wanderimkerei in den USA

In den USA werden ein Großteil der etwa 2,4 Mio. Bienenstöcke jedes Jahr bis zu über 10 000 km mit Tiefladern transportiert, vier Bienenkörbe hoch, etwa 500 pro LKW.

Warum ist das so?

Am einfachsten ist dies am für die Bienenhalter kommerziell wichtigsten Ereignis, der Bestäubung der Mandelblüte im Februar, im Central Valley, Kalifornien, zu erläutern.

In den USA werden jährlich innerhalb von 5 Monaten 14 000 km2 Ackerfläche von Wanderbienen bestäubt. 3000 km2 davon, also etwa 20 % (zum Größenvergleich: Das Saarland hat eine Fläche von 2600 km2) befinden sich im Central Valley und sind mit 60 Mio. Mandelbäumen bepflanzt (2). Die Gegend ist klimatisch hervorragend geeignet, und dank des ebenen Reliefs und mit Hilfe einer durchgehend künstlichen Bewässerung für große Monokulturflächen geeignet.
Mandelbäume sind nicht selbstbestäubend. Da heute genetisch identische Varietäten eingesetzt werden, müssen zwei davon abwechselnd (typischerweise in Reihen) gepflanzt werden, um von Insekten wechselseitig bestäubt werden zu können. In der sich über hunderte von Quadratkilometern hinstreckenden Monokulturlandschaft, die für nektarsuchende Insekten außer während der 2-3 Wochen Mandelblüte eine ökologische Wüste ist, müssen die Bestäuber vom Menschen herangebracht werden: Die Honigbiene.
Für den optimalen Ertrag werden ca. fünf Bienenstöcke (je 50 000 Bienen) pro Hektar eingesetzt (1), dies sind etwa 1,5 Mio. Bienenstöcke (über die Hälfte des US-amerikanischen Bestandes). Dies ergibt - für die Hinfahrt - 3000 Lastwagenfuhren je 500 Stöcke innerhalb von 1-2 Wochen. Die Bienen kommen z. B. aus dem milden Florida, wo sie überwintern und bereits in den Vormonaten kräftig angefüttert werden, um die Vermehrung so zu steuern, dass sie im Februar bereits ihre volle Stockstärke erreichen. Ihre biologische Uhr wird also für die Mandelblüte um 1-2 Monate vorgedreht.
   
Mit dieser Agrikulturform wurden 2010 in den USA 1,4 Mio. t Mandeln gewonnen (Quelle: FAOSTAT/production/crops), Jacobson (1) nennt für 2008 eine Ernte von 800 000 t Mandeln für das Central Valley. Dies sind über 80 % der Weltproduktion.
Deren Wert übertraf (Zahlen von 2008) mit 2 Mrd. $ den Exportwert des kalifornischen Weines um das Doppelte.
Vom Umsatz wurden etwa 200 Mio. $ (also 10 %) als Bestäubergebühr an die Wanderimker gezahlt, oder 130 $ pro Bienenstock für diesen einen Einsatz. Der Gesamtwert der US-amerikanischen Honigproduktion betrug im selben Jahr nur 150 Mio. $, also etwas weniger.

Der kommerzielle Wert der Biene lag also zum überwiegenden Teil in der Leistung der Befruchtung.

Dies war nicht immer so.

Erst in den 1940er Jahren, mit der verstärkten Mechanisierung der Landwirtschaft, der damit einhergehenden Vergrößerung der Flächen (bis 1980 sollte sich die Farmgröße verdreifachen, s. Nahrungsknappheit) und dem breiten Einsatz der neu entwickelten Insektizide (es war die Zeit des DDT) begann sich die lokale Biodiversität bezüglich Blütenpflanzen und Bestäuberinsekten so zu verschlechtern, dass ein Mangel an Bestäubern für den Ackerbau auftrat - die Wanderimkerei begann.
Um 1960 wurde auf einem Achtel der Fläche (360 km2) bei einem spezifischen Ertrag von einem Drittel (1,7 t Mandeln / Hektar) ein Fünfundzwanzigstel der heutigen Ernte produziert (60 000 t Mandeln pro Jahr) (Quelle: FAO s.o.). Der Mietpreis pro Bienenstock betrug weniger als 10 $.
Etwa in den 70er bis 80er Jahren begann die bezahlte Bestäuberleistung die Honigproduktion zu übersteigen - die US-amerikanischen Imker wurden von Honigerzeugern zu Bestäubungsdienstleistern.
Ein beispielhafter Routenplan, wie in der ersten Landkarte dargestellt, liest sich wie folgt (1):
  • Herbst und Winter in Florida: Teebaum (Melaleuca), Brasilianischer Pfeffer (Schinus terebinthifolius) - beide Bäume sind interessanterweise Neophyten (durch den Menschen neu eingeführte Pflanzen) aus Australien bzw. Südamerika, die heute in Florida auf der Bekämpfungsliste stehen und mit großem Aufwand zurückgedrängt werden, da sie sich invasiv ausbreiten und z. B. die einheimische Everglades-Flora bedrohen.
    In der blütenlosen Zeit: Maissirup und Proteinpräparate
  • Februar: Mandeln in Kalifornien
  • März: Äpfel in Washington
    Mai: Sonnenblumen und Raps in South Dakota
  • Juni: Blaubeeren in Maine
  • Juli: Kürbisse in Pennsylvania
  • danach wieder Überwinterung in Florida
Eine Jahresroute soll bis zu 18 000 km betragen
 Der in den USA während der letzten 50 Jahre gewählte Weg, die Gewinne der Landwirtschaft zu steigern ohne Rücksicht auf die damit einhergehende Reduzierung der lokalen Biodiversität bezüglich Blütenpflanzen und Bestäuberinsekten, und deren quasi vollständigem Ersatz durch eine einzige - kommerziell eingesetzte - Spezies, ist kein zwangsläufiger Weg.

Während es in USA nur etwa 1000 Bienenhalter - mit durchschnittlich 2400 Bienenstöcken - gibt, sind in Großbritannien 270 000 Bienenstöcke im Besitz von 44 000 Bienenzüchtern - d. h. auf jeden entfallen nur 6 Bienenstöcke. Dies Beispiel soll zeigen, dass eine geringe Kommerzialisierung der Bestäuberdienstleistung in einer Landschaft natürlichen Biodiversitätsgrades offenbar problemlos möglich ist.
 
Die Europäische Union hat in den Zielen der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik, s. Europa/Zusammenfassung der EU-Gesetzgebung/Landwirtschaft, dort "Umwelt" /"Aktionsplan für die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft") das Thema adressiert.
1992 wurde von der EU die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) beschlossen, "...zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen... Ihr Ziel: Alle für Europa typischen wildlebenden Arten und natürlichen Lebensräume sollen in einen günstigen Erhaltungszustand gebracht werden. Damit dient die FFH-Richtlinie dem Erhalt der biologischen Vielfalt in der EU." (s. Bundesumweltministerium, FFH-Richtlinie / Natura 2000).




 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Die lange Nacht der Bienenwissenschaftern